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Masseneinflug von Distelfaltern

Es war ein Natur-Schauspiel, wie es Herbert Fuchs vom NABU Zollernalb noch nie zuvor erlebt hatte: Hunderte, ja Tausende von Distelfaltern zogen einer nach dem anderen in west-östlicher Richtung an ihm vorbei. Ein derartiger Masseneinflug war im Zollernalbkreis bestimmt noch nie beobachtet worden. Doch zunächst der Reihe nach ...

© Foto: H.Fuchs Am Abend des 9. Mai war Fuchs für eine kurze Beobachtungsrunde in Richtung Salenhof Trillfingen unterwegs. Gleich nach den letzten Häusern nach der Firma Gummi-Reiff registrierte er Verfolgungsjagden mehrerer Distelfalter. Bis zur Naturdenkmals-Eiche waren das schon mal über 20 - eine recht große Zahl, verglichen mit den sonstigen Beobachtungen. An der großen Eiche in der Senke in Richtung Biegelmaier-Hof erlebte Fuchs dann ein richtiges Spektakel: Wenigstens 50 Falter düsten auf wilden Verfolgungsjagden um ihn herum. Dabei hörte man deutlich, wie die Flügel der Tiere bei Zusammenstößen gegeneinander schlugen. Wenn sich ein Falter kurzzeitig auf den Boden setzte, dann waren trotzdem erstaunlicherweise keinerlei Flügelverletzungen zu erkennen. Doch nach spätestens 5 Sekunden kam wieder ein Falter vorbei und die Verfolgung begann erneut ...

Zwischen 18.30 und 19.30 Uhr registrierte Fuchs auf diese Weise deutlich über 100 Tiere entlang etwa 700m Asphaltweg. Auch nachdem der Regen eingesetzt hatte, ließen die Falter nicht von ihren Verfolgungsjagden ab. Ein wirklich beeindruckendes Erlebnis.

Was sich dann aber am darauf folgenden Sonntag abspielte, war in der Form in unserem Raum noch nicht beobachtet worden: An seinem Haus vorbei sah Fuchs einen Distelfalter nach dem anderen fliegen. Kontrollzählungen als Zufallsstichprobe ergaben zwischen 18 und 67 ziehende Falter in jeweils 5 Minuten. Nachdem auch Frau Seiffer-Schulz aus Trillfingen Ähnliches berichtet hatte, war klar: Am Sonntag mussten in breiter Front Hunderttausende dieser bunten Schmetterlinge durch den Zollernalbkreis gezogen sein. Und wenn man die Sonntags-Berichte im www.lepiforum.de liest, dann war das nicht nur bei uns so - aus Freiburg, dem Westerwald, Mittelhessen und Bayern kommen ähnliche Berichte.

Der Distelfalter (Vanessa cardui) ist ein typischer Wanderfalter, der bei uns Jahr für Jahr aus dem Süden einwandert, sich hier vermehrt und dann wieder nach Süden zieht. Der allergrößte Teil der Tiere wandert Anfang März aus Nordafrika in Südeuropa ein und beginnt dort sofort mit der Fortpflanzung. Etliche ziehen jedoch weiter und so können mit etwas Glück schon Mitte April die ersten äußerst ramponierten Distelfalter bei uns beobachtet werden. Die ersten Beobachtungen solcher Tiere bei uns stammen aus der ersten Maiwoche.

Die zweite Einwanderungswelle nach Süddeutschland Ende Mai/ Anfang Juni stammt großenteils aus den in Südeuropa geschlüpften Tieren. Diese Tiere sind üblicherweise viel weniger "abgeflogen". Und schon im Juni/ Juli sind dann hier die ersten Jungtiere aus den beiden Einwanderungswellen zu beobachten. Ab Ende Juli sieht man dann wieder neue Falter, die wohl aus tieferen Lagen zu uns zurück kommen. Ob und in welchem Umfang die bei uns geschlüpften Falter dann wieder nach Südeuropa fliegen, ist immer noch nicht vollständig geklärt: Es gibt noch keinerlei Nachweis von zahlenmäßig spektakulären Rückwanderungen, doch irgenwoher müssen die die Massen ja stammen, die sich im Winter dann in Afrika wieder vermehren. In jedem Fall ist eine erfolgreiche Überwinterung für den Distelfalter in Mitteleuropa nicht möglich.

Dieses Schauspiel ist also grundsätzlich Jahr für Jahr zu beobachten, allerdings in den seltensten Fällen in dieser Heftigkeit. Dieses Jahr weist noch eine Besonderheit auf: Der Masseneinflug fand nachweislich in west-östlicher Richtung statt. Und das stellt die Fachleute vor leichte Rätsel. Es ist zwar bekannt, dass die ersten Einwanderer z.B. Südengland schon im Februar erreichen, doch ein Einflug nach Deutschland von der Atlantikküste her ist seither noch nicht bekannt. Aber bei Faltern in der zweiten Maiwoche kann es sich fast nur um solche Tiere gehandelt haben, die erst vor kurzer Zeit vielleicht in der Bretagne geschlüpft sind. Oder sind sie doch nur in einem großen Bogen um die Alpen herum geflogen? Die Falterfreunde aus dem Zollernalbkreis werden dran bleiben und sehen, welche Informationen noch zu kriegen sind. Die Falter am Salenhof-Weg sind allerdings vermutlich am Ziel ihrer Reise angekommen. Es ist üblich, dass sie in den Abendstunden Turnierflüge absolvieren und sich dann nach und nach ein Revier suchen, wo die befruchteten Weibchen ihre Eier einzeln an die Raupen-Nahrungspflanzen ablegen. Wichtigste Nahrungspflanze ist dabei die Acker-Kratzdistel. Es werden aber auch andere Pflanzen, wie z.B. die Brennnessel belegt. Die Schutzbemühungen der Haigerlocher Naturschützer sind also auch für diese Falterart eine große Hilfe - die ersten Hinweisschilder im Raum Trillfingen stehen schon wieder.

Bild: Distelfalter am 04. Mai 2009 bei Haigerloch-Stetten, noch vor Beginn der Masseneinwanderung (Foto: H.Fuchs)

Update vom 13.05.2009: Nach einer relativen Ruhe, vielleicht durch die Schlechtwetterfront am Montag und Dienstag bedingt, verstärkte sich der Einflug am Mittwoch, 13.05.09 sogar noch: Auf breiter Front zogen die Falter über Wiesen und Felder hinweg nach Osten und überquerten dabei auch viele Straßen. Eine Stichprobenzählung am ehemaligen Bahnhof Hart ergab 500 am Bahndamm entlang ziehende Falter in 6:03 Minuten. Auf ca. 150 m Straße bis zur Kuppe vor der Bahnunterführung vor Rangendingen lagen 57 Unfallopfer.